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"Mein technisches Gewissen
ist nicht käuflich"
Von Christina Spang
Ohne den Atomexperten Norbert Meyer würde das Kernkraftwerk Lubmin vielleicht
heute noch Strom liefern. 1990 hat er im westdeutschen Fernsehen die
Öffentlichkeit über Störfälle und Sicherheitsrisiken in dem Kraftwerk
unterrichtet. Jetzt spricht er darüber, warum er lieber die Arbeitsplätze
von Tausenden Menschen gefährdete, als den unsicheren Atommeiler am Netz zu lassen.
netzwerft: Herr Meyer, viele Greifswalder haben Sie in Erinnerung als
den Menschen, der der Stadt, der Region die Zukunft genommen hat. Würden Sie
es wieder tun?
Norbert Meyer: Ja. Die Mängel im Kraftwerk waren so schlimm, dass vor
allem Block Drei keine größeren Störfälle mehr ausgehalten hätte. Den hätten
wir sofort vom Netz nehmen müssen, weil die Gefahr bestand, dass er in die
Luft fliegt. Die Risiken für die Bevölkerung waren einfach unverantwortlich,
Greifswald und seine Umgebung hätten auf lange Zeit verseucht werden können.
netzwerft: Wie haben die Beschäftigten im KKW reagiert?
Meyer: Es gab einen riesigen Aufstand mit Demonstrationen und
Kundgebungen. Für die einfachen Mitarbeiter war das ein Schock. Sie haben
mir nicht geglaubt. Die meisten hielten sich an die Kraftwerks-Führung und
die SED. Die haben immer nur gesagt, das Kraftwerk sei ein Wunderwerk der
Technik und wir seien die absolute Elite in Sachen Atomkraft. |
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netzwerft: Sind die Greifswalder noch sauer auf Sie?
Meyer: Nein. Heute begegnen mir auch die Menschen mit Verständnis,
die mich damals angegriffen haben. Sie konnten nichts dafür. Sie hatten gar
keine Informationen. Zum Zeitpunkt der Wende war vor allem die Angst um
Arbeitsplätze groß. Ich war ein Feind der Belegschaft. Heute kann ich es ihnen
nicht mehr übel nehmen, wie sie mich damals beschimpft haben.
netzwerft: Hatten Sie Verständnis für Ihre Kollegen?
Meyer: Menschlich ja. Aber technisch gesehen muss man alles nüchtern
analysieren. Und wenn man dann zu dem Ergebnis kommt, so ein Werk
abzuschalten, muss man dazu stehen. Viele Kollegen halten den Mund aus
Angst, ihren Job zu verlieren. Mein technisches Gewissen ist nicht käuflich. |