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Sie ist katholisch, zweifache
Mutter und der Umgang mit Toten gehört zu ihrem Alltag. Angela Thieme, 46
Jahre alt, aus Hofgeismar bei Kassel, ist stolz auf ihren Beruf. Sie ist
Bestatterin und leitet seit drei Jahren ihr eigenes Bestattungsinstitut in
Münster. Bereits der erste Blick auf die Fassade ihres Büros vermittelt ein
ungewöhnliches, aber gleichzeitig angenehmes Gefühl. Anders als bei vielen
anderen Bestattungsinstituten, wo der Blick nach innen meist verwehrt
bleibt, laden die großen Fenster ihres Institutes dazu ein, einen
Blick hinter die Kulissen zu werfen.
Im Vorraum gibt es Wasser, Tee oder Kaffee. Der hell gestrichene Raum, mit großen
Schreibtischen, hellen Schränken und Blumen aller Art, vermittelt ein
Gefühl der Leichtigkeit. Erst auf den zweiten Blick fällt die Auswahl an Urnen auf dem Schrank
auf. Sie erinnern an den
täglichen Umgang mit dem Tod.
Für Angela Thieme ist diese eher ungewöhnliche Gestaltung ihres Institutes
jedoch kein Zufall: „Wir wollen den Betroffenen das Gefühl vermitteln,
dass sie bei uns mit ihrer Trauer nicht alleine sind“, erklärt sie. „Der Tod bedeutet für mich kein Sterben der Seele, sondern
nur ein Übergang in ein Jenseits. Dies zu vermitteln ist auch ein Teil
meiner Arbeit.“
Für Angela Thieme war der Einstieg in die Bestatterbranche jedoch alles andere als
geplant. Die gelernte Hotelfachfrau sah sich vor acht Jahren aus
gesundheitlichen Gründen dazu gezwungen, ihren Beruf aufzugeben. Eine
Bürotätigkeit sollte es sein. Zugleich wurde eine Stelle im
Bestattungsunternehmen ihres Stiefsohns frei. Ziemlich schnell setzte sie
sich mit den unterschiedlichen Facetten ihres neuen Berufs auseinander.
Von der seelischen Betreuung der Betroffenen über die Organisation der
Beerdigung bis hin zum Umgang mit der Leiche selbst, Angela Thieme ist der
Beruf allmählich geradezu ans Herz gewachsen: „Familien in ihrer Trauer
weiterzuhelfen, zu beraten, ein Stück mitzubegleiten und nach Möglichkeit zu
zeigen, wie sie die Trauer überwinden können – für mich lag hier meine wahre
Berufung.“
Nachdem Angela Thieme fünf Jahre im Unternehmen ihres Stiefsohnes gearbeitet
hatte, beschloss sie, in diesem Beruf weiterzuarbeiten. Im
September 2005 wagte sie den Schritt in die Selbständigkeit. Als Leiterin ihrer eigene
Firma mit inzwischen sechs Mitarbeitern, absolvierte sie im Jahre 2006 eine
Zusatzausbildung zur „Verbandsgeprüften Bestatterin“. Die Ausübung des Berufes „Bestatter“ ist
ansonsten in Deutschland an keine berufliche Ausbildung gebunden.
Kraft für den Umgang mit Trauer schöpft Angela Thieme aus ihrem Glauben,
der ihr dabei hilft, ihre Hoffnung an andere weiterzugeben: „Ich glaube
daran, dass die Verstorbenen uns einfach voraus sind und in aller
Herrlichkeit auf uns warten.“ Aus einem Schrank hinter ihrem
Schreibtisch holt sie einige Dankschreiben und
Zeitungsartikel heraus, in denen Angehörige ihr für die moralische
Unterstützung und Begleitung bei der Verarbeitung der Trauer danken.
Kann jeder Bestatter werden? Angela bejaht die Frage, bemerkt dabei aber, dass
zu diesem Beruf viel mehr gehört als nur Fachwissen: „Man braucht eine
gewisse Sensibilität und sehr viel Feingefühl“, sagt sie. „Man soll in der
Lage sein, mit der Trauer anderer umzugehen und ihre Gefühle zu erkennen.
So etwas kann man nicht lernen.“
Ihre Arbeit, vom ersten Kontakt mit den Familienangehörigen bis zur
Beerdigung, unterteilt sie in fünf Schritte. Erst erfolgt die so genannte Formalitätenabsprache, die in einem Beratungsgespräch mit der Familie
der Verstorbenen besteht. Hier wird über persönliche Daten, die Konfessionen der Familie, die
Bestattungsart, den gewünschten Friedhof, die Ausstattung des Sargs und die
Gestaltung des Grabsteins gesprochen. Außerdem werden Details zur
Vorbereitung der Trauerfeier, die Zeitungsannoncen und den Ab- und
Ummeldungen bei Versicherungen des Verstorbenen besprochen.
Dann wird die Leiche vorbereitet.. Nach der Überführung in den Aufbahrungsraum
wird sie hygienisch versorgt, dann eingekleidet. Nach Möglichkeit wird ihr eigene
Kleidung angezogen. Schließlich wird sie in den Sarg gelegt. Wenn Wunden
geschlossen oder Objekte entfernt werden müssen, kommen Pinzette, Skalpell
sowie Nadel und Faden zum Einsatz.
Anschließend werden praktische Dinge erledigt. Der Totenschein, die
Sterbeurkunden, die Terminabsprache mit dem Friedhof, der Kirche und dem
Trauerredner müssen organisiert werden. Drucksachen werden vorbereitet und
gedruckt.
Angela Thieme begleitet die Betroffenen dann in die Trauerfeier und bleibt
auf Wunsch bei ihnen, bis die Beerdigung erfolgt. Auch die Betreuung der
Angehörigen nach der Beerdigung gehört zu ihren Aufgaben, sofern dies
gewünscht wird.
Zwei Zimmer in Angela Thiemes Bestattungsinstitut
fallen sofort ins Auge. Der Beratungsraum, der eine
– sofern
dies hier möglich ist – angenehme Atmosphäre vermittelt.
Und der Lagerraum für die
Särge.
Laut Angela Thieme haben Särge in der Regel eine Länge von etwa zwei
Metern. Für Sonderfälle, wie für besonders kräftige oder kleine Personen,
gibt es jedoch passende Größen. Beim Betreten des Raumes stößt man auf eine
Vielzahl an Särgen in unterschiedlichen Farben, Formen und Größen. Särge
werden in der Regel aus Holz hergestellt. Die Preise für
Särge variieren je nach der gewählten Holzart. Von Tanne und Kiefer über
Eiche bis hin zu Mahagoni, die Möglichkeiten sind vielfältig. Dies sagt
jedoch nichts darüber aus, wie lange der Sarg nach der Beerdigung halten
wird, denn dies hängt ausschließlich von der Boden-beschaffenheit des Grabes
ab. In jedem Sarg befindet sich eine biologisch abbaubare Folie sowie eine
saugfähige Unterlage, die mit einem Stoff abgedeckt werden. Kissen und Decken werden auf Wunsch hinzugefügt.
Sonderwünsche sind keine Seltenheit. So wünschte sich die Familie eines verstorbenen Motorradfahrers einen
dunkelblauen Sarg, der mit grünen Kawasaki-Streifen bemalt werden sollte. Auf diesem
Streifen sollte das Emblem des Motorradvereins zu sehen sein, in dem der
Verstorbene Mitglied war. Außerdem
äußerte die Familie den Wunsch, dass der Verstorbene in seiner Motorradkleidung
beerdigt wird. Auf dem Sarg sollte sich bei der Beerdigung sein Kawasaki-Helm befinden. „Dies
sind nur Möglichkeiten für die Betroffenen, auf ihre Art und Weise den Tod
zu verarbeiten.“ erklärt Angela Thieme, „das erfüllen wir auch gerne.“
Jede Beerdigung hinterlässt gewisse Spuren bei Angela Thieme. Besonders berührt sie der Tod von Kindern. „Da ich
selbst Mutter bin, frage ich mich dann immer wieder, warum ein Kind sterben muss,
bevor es die Chance hatte, sein Leben zu leben.“
In ihrem sozialen Umfeld ist es nicht immer einfach, über ihren Beruf zu
sprechen. Oft fühlt sie sich von Menschen missverstanden, die den Tod als
Tabu-Thema betrachten.
Dennoch würde sie diesen Beruf gegen keinen anderen tauschen wollen. „Wichtig für
mich Bestatter sind zwei
Aspekte: Wir wollen den
Verstorbenen seinen letzten Weg in Würde gehen lassen und
gleichzeitig für die Lebenden Betreuung und Hilfe anbieten“. Auf die Frage, wie lange
sie diesen Beruf noch ausüben möchte, antwortet Angela Thieme: „Bis zum Rentenalter,
aber vielleicht noch länger.“ |
Angela Thieme in ihrem
Bestattungsinstitut
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