KUNST FÜRS KLO
Text: Sandra Ambrozy
Foto: Presseamt
Stadt Münster / Angelika Klauser
„Meine Toilette zu Hause gefällt mir besser. Die ist viel schöner und die
erkläre ich jetzt auch zum Kunstwerk.“ Das ist die Reaktion von Frau
Lehmann. Herr Wiedenau meint: „Ich finde das Klo super und besonders gefällt
mir die Musik!“ So unterschiedlich die Meinungen der beiden Besucher auch
sind, in einem Punkt sind sich alle einig: „Es ist viel besser als vorher“.
Immerhin.
Die unterirdische Toilettenanlage, errichtet in den 50er Jahren und vom
Domplatz aus über zwei Treppen zugänglich, ist zum
Papstbesuch 1987 das letzte Mal renoviert worden. Man konnte ja nie wissen.
Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit, eine Überholung hatte sie daher dringend
nötig.
Besonders deutlich werden die Veränderungen, wenn man die Örtlichkeiten vor
dem Umbau durch den Künstler Hans-Peter Feldmann kannte. Es entsprach den üblichen
Eindrücken, die man überall auf
öffentlichen Toiletten sammeln kann. Orte, die
man nur aufsucht, wenn es sich nicht mehr vermeiden lässt, um sie dann
schnellstmöglich wieder zu verlassen.
Diesen Eindruck wollte Feldmann von Grund auf „transformieren“. Damit sich
viele Menschen wohl fühlen und das „Örtchen“ als einen positiven und
angenehmen Ort erleben, wurden die Veränderungen möglichst neutral gehalten.
Obwohl der Künstler in seinem Wirken durch verschiedene Baurichtlinien
eingeschränkt war, versuchte er Atmosphäre und Ästhetik in den vorher so
unangenehmen Ort zu bringen. Unterstützt wurde er bei der
zweieinhalbjährigen Planungs- und der dreimonatigen Umsetzungsphase von
Kuratorin Carina Plath und dem „kuratorischen Assistenten“ Peter Reeh. Das
Team sammelte Materialien, um die Ideen, die Hans-Peter
Feldmann auf seinen Reisen von „gelungenen“ Toiletten entwickelt hatte,
in die Realität umzusetzen. Alle baulichen Veränderungen mussten mit dem Amt für
Gebäudemanagement abgestimmt werden.
Nach der Grundsanierung und dem Einbau neuer Keramik und heller Beleuchtung
musste auch das Radioprogramm festgelegt werden. Zwei Wandbilder für jeden
Bereich mussten noch angebracht werden, fertig.
Die Neuerungen fallen bereits an den Treppen am Toiletteneingang auf.
Geranien säumen jetzt das Geländer um die Eingänge. Am Ende der Treppe, die
in den Vorraum der Toilettenanlage führt, leuchtet
den Besucher ein auffallend bunter Kronleuchter an. Auch die grünen Fliesen am Waschtisch und die 1,20
Meter mal 1,70
Meter großen Wandbilder mit Blütenbild sollen einen
angenehmen Eindruck erzeugen: „Hier kannst du dich wohlfühlen“. Bei den Frauen
(dort steht wirklich Frauen, nicht etwa Damen) wurde eine gelb- und
rosafarbene Lilie und bei den Männern eine violette Schwertlilie verwendet.
Ansonsten unterscheiden sich die beiden Sanitärbereiche kaum. Dem Künstler
sei es besonders wichtig gewesen, keine „abgehobene“ Kunst zu
schaffen. Vielleicht wurde deshalb auch als Radioprogramm konsequenterweise
„WDR Zwei“ festgelegt.
Seit der Eröffnungsveranstaltung der Kunstausstellung am
16. Juni 2007 sind auch die Bedürfnisanlagen für die Öffentlichkeit
freigegeben. Sie werden seither nicht nur von den üblichen
Toilettenbenutzern aufgesucht, sondern natürlich auch von
Kunstinteressierten. Kostenlos ist die Bedürfnisanstalt nun auch, eine Idee
des Künstlers. Die Kunden geben das eingesparte Geld für die
Benutzung der Toilettenanlagen an die Reinigungsdame weiter und honorieren damit nicht nur
ihre Leistung, sondern auch die angenehme Atmosphäre, die der Künstler
geschaffen hat. Solange die Ausstellung stattfindet, übernehmen die „Skulptur
Projekte“ die Kosten für die Reinigung der Anlage. Ob allerdings nach
der Ausstellung die Kosten von der Stadt übernommen werden und somit das
Kunstwerk weiterhin kostenlos zugänglich bleibt, ist zurzeit noch unklar.
Hans-Peter Feldmann hat sich die Toilettenanlage ausgesucht, um Kunst für jedermann
zu schaffen. Sein Kunstbegriff geht nicht von einer Kunstwelt aus, sondern
von den Menschen, die er täglich trifft. Seiner Meinung nach muss der Welt
nichts Neues hinzugefügt werden; es reicht aus, sie ein wenig umzugestalten.
Dieses Verständnis zeigt sich in der Durchführung dieses Projektes vor und
während der Sanierungsarbeiten. So wurde die Struktur der Räume beibehalten
und für die Modernisierung wurden handelsübliche Materialien verwendet.
Letztlich sieht der Künstler seine Kunst nie isoliert von der Umwelt. Seine
Kunstwerke wirken im Zusammenspiel mit den Besuchern und natürlich auch
durch die Besucher. So zählen die Reaktionen und Zensuren der Betrachter mit
zu seiner Arbeit. Das Werk wird also dadurch bewertet, wie die
Öffentlichkeit die Kunst versteht. Sofern sie sie bemerkt.
Sandra Ambrozy,
geboren 1981, studiert seit dem
Wintersemester 2006/2007 an der Westfälischen Wilhelms-Universität in
Münster Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Soziologie. Erste
journalistische Erfahrungen sammelte sie während der
Schulzeit in einer Wirtschafts-redaktion. Ihr bisheriges Kunstverständnis war
sehr demo-kratisch: Schön ist, was gefällt. Dieses Kredo verstärkte sich
durch die Berichterstattung über das Kunstwerk von Hans-Peter Feldmann. |
Ja, das alles ist das Kunstwerk.
|