Michael Elmgreen und Ingar Dragset
haben mit ihrer Performance „Drama Queens“ prominente Skulpturen in einem Zusammenhang
gezeigt, der die Skulptur an sich in Frage stellt – im Großen Haus der
Städtischen Bühnen Münster, sprechend und in Bewegung.
Am Eröffnungstag der „Skulptur Projekte“ hat ein großes Publikum die
Weltpremiere von „Drama Queens“ und damit die Verwandlung von starren
Skulpturen zu lebendigen Protagonisten eines Theaterstücks verfolgt.
Insgesamt vier Aufführungen waren
am 16. Juni zu sehen. Eine Videoaufzeichnung des Stückes ist nun im Foyer
des Landesmuseums ausgestellt.
Michael Elmgreen aus Dänemark und der Norweger Ingar Dragset haben ihre
Skulpturen auf die Bühne gestellt, ihnen Charakter, Meinungen und
Beweglichkeit gegeben. Die sieben Figuren sind Abbildungen von
„Superstars aus der Geschichte der modernen Skulptur“. Der „Walking Man“ von
Alberto Giacometti trifft auf Jeff Koons „Rabbit“ oder die „Brillo Box“,
von Andy Warhol.
Die Skulptur-Kopien sind ferngesteuert und rollen über die puristisch
gestaltete Bühne. Nach und nach betritt eine „Drama Queen“ nach der anderen
die Szene. Der Ort ist ihnen unbekannt, sie wissen nicht, wo sie sich
aufhalten. Dann beginnen sie, miteinander zu sprechen. Die etwa
halbstündigen englischen Dialoge zwischen den großen Stars der
Skulpturen haben wenig Inhalt. Eine Diskussion über Kunst entsteht. Sie
philosophieren über den Sinn eines Theaters. Ein Streit entsteht,
weil jede Figur sich selbst für das einzig wahre Kunstwerk hält. Keine
der Charaktere will ihren Standpunkt verlassen, vor allem Koons „Rabbit“
bringt die Zuschauer durch schrilles Geplapper und witzige Phrasen an vielen
Stellen zum Lachen.
Am Ende verschafft der wortlose Auftritt der „Brillo Box“ unter den
Skulpturen Einigkeit. Sie sind sich sicher, dass es sich hierbei nun wirklich
nicht um Kunst, sondern lediglich um einen Kasten handele und verlassen
entrüstet die Bühne.
Hervorragend
–
und zur jeweiligen Skulptur passend
–
sind die Charaktere von Schauspielern der städtischen Bühnen gesprochen worden. An vielen
Stellen ist die Aufmerksamkeit der Zuschauer sicher auch dieser
schauspielerischen Leistung zu verdanken gewesen. Für Elmgreen und Dragset, die ihre künstlerischen Wurzeln
nicht im Bereich der plastischen Kunst, sondern eher im Theater und der
Performance haben, ist es ein entsprechend vertrautes Terrain, auf das sie sich für die
„Skulptur Projekte“ begeben haben.
Ansprechend ist die außergewöhnliche Präsentation der Skulpturen. Der
Gegensatz von lebendigem Theater und starren Figuren wird sofort deutlich.
Auch die Darstellung des Widerstandes von Skulpturen im öffentlichen Raum
gegen Wind, Wetter und Zerstörung wird durch die eigenwilligen Charaktere
der Protagonisten im Stück gelungen dargestellt.
Offen bleibt allerdings der Bezug zu den Superstars der modernen Skulpturen,
und was ihr Darstellungswert mit Elmgreen und Dragsets Performance zu tun
hat. Es erscheint fast so, als wäre dieser Hintergrund nebensächlich oder
die Skulpturen austauschbar.
Die in Berlin lebenden Künstler sind durch
ihre „Powerless Structures“ bekannt geworden. Die Kunstreihe beschreibt in
einer Anzahl von Arbeiten den Raum mit seinen zahlreichen
Bedeutungsmöglichkeiten und Funktionen.
Außenstehende und Besucher der „Skulptur Projekte“ müssen den Bezug zum
öffentlichen Raum in der Kunst von Elmgreen und Dragset suchen.
Vielleicht ist er in der 60er-Jahre-Architektur der städtischen Bühnen zu
finden, die ein Bestandteil des Projekts ist. Der Bau ist laut Elmgreen und Dragset heute noch visionär und setzte in den 60er Jahren dem
an historischen Vorbildern orientierten
Wiederaufbau Münsters ein Ende.
Vielleicht lässt sich der Bezug zum
öffentlichen Raum aber auch in dem Versuch finden, die Kunst aus dem Museum
zu holen und dennoch im Bereich der aktiven Betrachtung zu halten. So
gelingt es, Skulpturen öffentlich zu präsentieren und zugleich eine
Beiläufigkeit in der Betrachtung durch Passanten zu vermeiden.
Den Weg zurück ins Museum findet „Drama Queens“ allerdings überraschend schnell, ist
die Performance doch nun im Landesmuseum per Video zu betrachten. Der öffentliche Raum
als Inspiration für die „Skulptur Projekte“ bleibt damit unerkennbar und im
Hintergrund. Auch der Bezug zur Architektur der städtischen Bühnen wird
durch die Aufzeichnung verwischt. Die Filmaufnahme reißt das Stück aus
seinem Kontext und lässt den architektonischen Rahmen des Stücks
bedeutungslos erscheinen.
Wer die Arbeit von Michael Elmgreen und Ingar Dragset nicht im Theater
bewundern konnte, hat sicherlich einen bedeutenden Beitrag der „Skulptur
Projekte 2007“ verpasst. Gerade weil solche Live-Erlebnisse durch
Aufzeichnungen nicht zu ersetzen sind wird deutlich, dass Kunst stets im
Zusammenhang mit Raum und Zeit steht. Wird eines verändert, ändert sich auch
der Ausdruck der Kunst selbst.
Hilke
Cordes,
geboren 1984, ist Studentin der Kommunikations-wissenschaft
im zweiten Semester. Erfahrungen im Journalismus hat sie
bisher noch nicht gesammelt.Bisher war Kunst für sie Ausdruck von Leben. Das ist sie auch nach
den „Skulptur-Projekten“ noch. Manchmal bleibt der Ausdruck Außenstehenden
allerdings verschlossen. Das man von Kunst auf den ersten Blick nicht zuviel
erwarten darf und man sich mit ihr auseinandersetzen muss, um sie zu
verstehen oder aus ihr zu lernen, ist, was Hilke Cordes aus den
„Skulptur Projekten“ in Münster mitgenommen hat.
Video: Ausschnitt aus Elmgreen und Dragsets
„Drama Queens"
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