KUNST UNTER
POLIZEISCHUTZ
Text: Maret Petersson, Foto: Judith Mader
Wassily Kandinsky beschrieb Kunst als ein „kompliziertes Phänomen“. Wie kompliziert sich dieses Phänomen darstellen kann, zeigte sich in
der dreißigjährigen Geschichte der „Skulptur Projekte" häufig. Immer wieder waren Kunstwerke Anlass
zu Protest, Diskussionen und Aktionen verschiedenster
Art. Die Münsteraner hatten teilweise wenig Verständnis für das, was die internationale Kunstszene feierte.
Häufig musste sogar die Polizei anrücken.
In heftigen und
leidenschaftlichen Leserbriefdebatten monierten
Münsteraner Bürger die Kosten der Ausstellung und der Kunstwerke.
Sie diskutierten,
ob die Kunstwerke zur Stadt passten und ob sie
eine Bereicherung für Münsters Stadtbild seien.
Doch es blieb nicht immer nur bei Diskussionen.
Auch in diesem Jahr ist der Schutz
einiger Kunstwerke wieder ein Thema. Die besprühten, bepinselten und
bemalten Kunstwerke vergangener Ausstellungen wurden sorgfältig gereinigt und für Fototermine umzäunt. Isa
Genzkens modernes Passionsspiel einer schillernden Konsumwelt ist
schon um die ein oder andere Utensilie ärmer und Dominique
Gonzalez-Foersters „Münster-Roman“, bei dem die Künstlerin
verkleinerte Fassungen bisheriger Exponate auf einer Wiese in Münsters
Zentrum ausstellte, kann für spielende Kinder gefährlich
werden. Eine Rückblick auf die manchmal kuriosen
Reaktionen auf die
Symbiose von Kunst und öffentlichem Raum.
Zu Beginn hatte keiner der Initiatoren und Organisatoren mit spontanen
Reaktionen der Begeisterung gerechnet. Klaus Bußmann,
geschäftsführender Vorstand des Arbeitsausschusses der „Skulptur
1977", erwartete, dass sich an den Kunstwerken die Gemüter
erhitzten. Recht hatte er. Vor dem Beginn der diesjährigen Ausstellung
erinnert sich Kurator Kaspar König in der Westfälischen Zeitung:
„1977 sind uns die Menschen mit unglaublicher
Aggression gegenüber getreten.“ Diese Aggression ging
besonders bei der ersten Ausstellung deutlich über
die verbale Ablehnung hinaus. Erst später wurde Protest häufiger in Wort
und Schrift gefasst. Vier Wochen vor der ersten Ausstellungseröffnung
musste sogar der damalige Regierungspräsident um „Kunstschutz" gebeten
werden.
Erstes Opfer der Randalierer waren die heute so harmlos wirkenden „Giant
Pools Balls“ von
Claes Oldenburg. Nach einer Party
der „Sozialistischen Gruppe" der Universität Münster
versammelten sich knapp 200 Personen am Aasee, um die
in Roxel gegossenen Kugeln in Münsters bekanntes
Gewässer zu befördern. Mit diversen Geräten, die aus einer nahen Baustelle
entwendet wurden, gelang es den Anwesenden, eine der drei
jeweils elf Tonnen schweren
Kugeln aus der Verankerung zu hebeln. Viel weiter kam die Kugel
jedoch nicht. Als die von Augenzeugen
alarmierte
Polizei eintraf, flogen Flaschen. Die Festnahme von drei
Partygästen war Anlass zu einem bunten Protestzug zur Polizeistation.
Rund 300 Indianer und andere Gestalten forderten dort in
Sprechchören die Freilassung der Verhafteten
und drohten mit Erstürmung.
Für die „Skulptur Projekte" kann
die Ausschreitung jedoch durchaus als Erfolg gewertet werden. Schließlich
war für Klaus Bußmann der Ansatzpunkt des
Kunstprojekts die „Kenntnisnahme“, nicht unbedingt
die Akzeptanz: Mission erfüllt! Selten
aber äußerte sich die Aufmerksamkeit später derartig
handfest.
Für
regelmäßige Provokation sorgte allerdings
Richard Serra. Der US-amerikanische
Künstler beteiligte sich 1977, 1987 und 1997 an den
Ausstellungen. Seine erste Plastik,
13 Meter lang, aus
sechs Zentimeter dicken Stahlplatten und begehbar,
wurde als Bedürfnisanstalt deklariert und auch so
benutzt. 1987 setzte Serra Eisenschalen horizontal in die
Mittelachse eines von Conrad Schlaun erbauten Palais in der
Innenstadt. Dass die Bögen die Wölbung der Flügeltrakte aufgreifen und deren
geometrische Schwingung vereinfacht darstellen, verstanden die
Wenigsten. Assoziationen stellten schockierte Bürger
aber mit einer
angrenzenden Baustelle her. Die 24 Tonnen rostiger Stahl waren für
die Münsteraner schlichtweg „Schrott“. Zehn Jahre
später stellte der Bildhauer einen geneigten, rostigen
Stahlkoloss in einer Linie zum historischen
Haus Rüschhaus in Münsters
Umgebung auf, das ebenfalls von Conrad Schlaun errichtet worden war. Serra
nannte den Klotz „Dialogue with Johann Conrad Schlaun". Ein Unbekannter
mischte sich allerdings mit einem „sachkundigen kritischen Kommentar“
ein, wie es ein Redakteur der Kulturredaktion der Westfälischen Nachrichten
nennt. Vorübergehend erhielt der Kubus
einen weißen Anstrich und verwies somit auf die
Kunstdebatte, die den weißen Kubus als Sinnbild für das Museum thematisiert.
Ordnungskräfte mussten sich 1987 auch mit der gelben Madonna von
Katharina Fritsch beschäftigen. Die aus Duroplast bestehende Skulptur
wurde mehrmals geklaut und zerstört. Um dem Spuk ein Ende zu setzten,
wurde sie schließlich durch einen Steinguss ersetzt. Gestohlen wurde
1987 ebenfalls „A Remembrance of Annette“ von Ian Hamilton Finlay.
Der Fall schien unaufgeklärt und mysteriös in den
Akten zu verstauben. Erst Jahre später wurde das
Epitaph in einem Garten gefunden und wieder an der
ursprünglichen Stelle auf dem Alten Überwasserfriedhof angebracht.
Roman Singers
„Fontana di Piaggio“ von 1997 rief dagegen die
Feuerwehr auf den Plan. Der mobile Brunnen, ein dreirädriger
Kastenwagen der Marke Piaggio, wurde von der
Feuerwehr beaufsichtigt, um Überlaufen zu vermeiden. Protestiert wurde aber vielmehr gegen die
Wasserverschwendung. Gut, dass Tue Greenfort 2007 seinen
Jauchepumpwagen mit Aaseewasser füttert und es auch gleich wieder in
den See zurück schießt.
Und: Seit
1977 platziert Michael Asher alle zehn Jahre einen Wohnwagen an
wöchentlich wechselnden, unspektakulären Standorten im Stadtraum
Münster. Nach der Straßenverkehrsordnung dürfen Wohnwagen jedoch nicht
länger als 14 Tage im öffentlichen Raum abgestellt werden. In der
„Fachstellenleitung Verkehrsbußstelle" des Ordnungsamts Münster
erinnert man sich heute, dass aus diesem Grund 1997 „ordnungstechnisch
eingegriffen“ wurde. Übersetzt heißt das: „Installation Münster (Caravan)“ wurde
abgeschleppt. „Ordnungsverfügungen"
sind jedoch nicht „erlassen
worden“, so das Ordnungsamt.
Maret Petersson, Jahrgang 1984,
studiert im Studiengang: deutsch-französisches Doppeldiplom in
Politikwissenschaft, Nebenfach Kommunikationswissenschaft. Schon während
der Schulzeit konnte sie erste Erfahrungen im Journalismus in der
Jugendredaktion der Sächsischen Zeitung (Bautzen und Dresden) sammeln. Ihr
Interesse an Kunst richtet sich eher auf die Malerei (besonders
Impressionismus, Barock, Renaissance). Aus diesem Grund war sie ein Jahr als
Führerin für französische und englische Reisegruppen in der Gemäldegalerie
Dresden im Rahmen des Projekts "Kunst und Sprache" tätig.
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Sicherheitszaun an den
„Giant Pool Balls" |