EINE BESONDERE
LANGZEITSTUDIE
Interview: Corinna Sörensen,
Foto: Presseamt Stadt Münster, Angelika Klauser
Christoph Platz ist studentischer Volontär bei
„Skulptur Projekte“. Er
schildert seine Erfahrungen aus der Projektarbeit mit den Künstlern, gibt
Einblicke hinter die Kulissen und beschreibt persönliche Eindrücke.
Herr Platz, was sind ihre Aufgaben als studentischer Volontär bei
„Skulptur Projekte“?
Christoph Platz:
Ich bin hauptsächlich der Projektrealisierung zugeordnet. Das heißt: Ich habe
Recherchen für die Künstler betrieben und sie bei der Wahl der Standorte und
der technischen Umsetzung ihrer Projekte unterstützt. Mit Jeremy Deller bin
ich für sein Projekt „Speak to the Earth an it will tell you“ in Münsters
Kleingärten gefahren, um die Menschen dort kennen zulernen. Deller hat dort
in Gesprächen mit den Menschen neue Ideen entwickelt. Man begleitet die
Künstler also während der Arbeit auch in der Konkretisierung ihrer Projekte.
Im Großen und Ganzen habe ich den Künstlern geholfen, ihre Projekte zu
realisieren.
Wie haben sie die Aufbau- und Vorbereitungsphase persönlich erlebt?
Ich habe in wahnsinnig viele und unerwartete Bereiche blicken können. So
kenne ich mich jetzt nicht nur mit Kunst im öffentlichen Raum, sondern auch
mit Polyethylenverbindungen und der Landwirtschaft aus. Durch das Projekt
von Mike Kelley habe ich außerdem Einblicke in die Tierwelt erhalten, denn
sein Projekt „Petting Zoo“ ist ein Streichelzoo.
Die Arbeit für die
„Skulptur Projekte“ war natürlich anstrengend, gerade in
den vier Wochen vor Ausstellungseröffnung. Hier hätte ich eigentlich meinen
Schlafsack im Büro ausrollen können, um so die wenige Zeit zu überbrücken,
die ich nicht für die
„Skulptur Projekte“ tätig war. Die Arbeit hat aber auch
unglaublich viel Spaß gemacht. Zu sehen, wie sich Details oder Probleme
ergeben, mit denen man nicht gerechnet hat und die dann doch gelöst werden
und den Projekten und ihrer Realisierung zu Gute kommen, war toll.
Mit welchen Zielen und Erwartungen sind sie an die
„Skulptur Projekte“
herangegangen?
Ich fand die
„Skulptur Projekte“ insofern spannend, als dass sie nur
alle zehn Jahre stattfinden und ich genau zu diesem Zeitpunkt hier
Kunstgeschichte studiere. Im Endeffekt habe ich mich während meiner Arbeit
mit Dingen auseinandergesetzt, die ich vorher gar nicht erwarten konnte.
Denn dieses Projekt, das sich mit der Kunst im öffentlichen Raum
beschäftigt, ist sehr ausgefallen und hat seine Eigenheiten.
Welche Rolle hat die Stadt Münster aus ihrer Sicht in der Vorbereitungszeit
gespielt?
Die Stadt Münster ist natürlich ein großer Förderer der
„Skulptur Projekte“
und auch maßgeblich am Projekt beteiligt. Ich muss ehrlich sagen, dass die
Ämter und ähnliche Stellen der Stadt sehr kooperativ waren. Wir haben viele
Sondergeneh-migungen für Standorte erhalten. Die Stadt wusste wirklich, was
die
„Skulptur Projekte“ für Münster bedeuten und hat uns dementsprechend
unterstützt.
Gab es Differenzen zwischen den Zielen der Künstler und der tatsächlichen
Umsetzung der Projekte?
Wenn es Differenzen gab, dann bei Projekten, die von den Kuratoren abgelehnt
wurden. Jeder Künstler hat zwei Projekte eingereicht, von denen eines
realisiert wurde. Viele Projekte haben in Abstimmung mit den Kuratoren auch
Änderungen und Modifikationen erfahren. Natürlich gab es auch Differenzen
mit verschiedenen Zulieferfirmen, die gewisse Materialien nicht so liefern
konnten, wie sich die Künstler es gewünscht hätten. Aber diese Probleme
haben wir als Team gelöst und im Endeffekt hat sich alles zum Positiven
entwickelt.
Können sie an einem Beispiel beschreiben, wie Künstler mit ihren Projekten
das Stadtbild von Münster beeinflussen wollen?
Tue Greenfort hat am Aasee einen silbernen Güllewagen installiert, der
Wasser, angereichert mit Eisen-III-Chlorid, in den See schießt. Greenfort
ist schon früh nach Münster gekommen und hat das Problem erkannt, dass
Landwirtschaft und Schweinezucht den See so sehr verschmutzen, dass er
biologisch umzukippen droht. Mit seiner Installation will der Künstler diese
Problem präsent machen und darauf hinweisen, dass die Versuche, den Aasee
mittels Zufuhr von Eisen-III-Chlorid zu retten, keine konkrete
Ursachenbekämpfung sind, sondern nur eine kosmetische Maßnahme.
Wie sind die Standorte für die Projekte ausgewählt worden?
Die Wahl der Standorte ist den Künstlern offen gelassen worden. Sie wurden
eingeladen, die Stadt unter die Lupe zu nehmen und auszuloten, was Kunst im
öffentlichen Raum oder Skulptur Projekte in Münster sein können.
Hat es in der Vorbereitungszeit irgendwelche Vorfälle, Besonder-heiten oder
Pannen gegeben?
Besonderheiten, Vorfälle und Pannen gab es natürlich en masse. Teilweise
sind diese gar nicht vorhersehbar oder haben sich auf Grund von
Materialeigenschaften ergeben. Wir haben in Münster aber ein super Team, das
in der Lage war, diverse Probleme zu lösen. Die kuratorischen Assistenten,
die in erster Linie für die Projektrealisierung zuständig waren, haben sich
in nicht zu erwartende Gebiete eingearbeitet, um alle Schwierigkeiten in den
Griff zu bekommen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit im Team der
„Skulptur Projekte“?
Wir haben hier in Münster ein Großraumbüro in dem etwa 15 Personen arbeiten.
Es gibt eine Projektleitung, Dr. Christine Litz und drei kuratorische
Assistentinnen, denen wir studentischen Volontäre hauptsächlich zuarbeiten.
Außerdem haben uns die beiden Bauleiter Michael Sterp und Arne Mittig
unterstützt. Die Zusammenarbeit im Büro und auch mit der Presseabteilung war
wunderbar. Teilweise war es natürlich stressig, in einem so großen und lauten
Büro zu sitzen, in dem vier oder fünf Besprechungen parallel laufen und
ständig das Telefon klingelt. Dennoch ist die Teamarbeit vorbildlich
gewesen.
Und wie sieht es mit der Zusammenarbeit mit den Künstlern aus?
Es gibt Künstler, die ganz selten vor Ort sind. Es gibt aber auch solche,
die wie Jeremy Deller oder Silke Wagner ständig in Münster waren und ihr
Projekt und dessen Umsetzung begleitet haben. Diese präsenten Künstler haben
Münster sprichwörtlich aufgesaugt und in ihren Projekten verarbeitet.
Können sie einen Vergleich zu vergangenen
„Skulptur Projekte“ in Münster
ziehen?
Die
„Skulptur Projekte“ sind natürlich ganz anders als 1977,
1987 oder
1997. Neu hinzugekommen sind viele Filmarbeiten, die zum Beispiel von Clemens
von Wedemeyer, Eva Meyer und Eran Schaerf oder Valérie Jouve realisiert
wurden. Was außerdem auffällt ist, dass neuerlich viele Projekte um den
Aasee herum stattfinden. Viele Arbeiten sind erst jetzt in Münster möglich
und wären es vor zehn Jahren noch nicht gewesen. Michael Asher, der als
einziger Künstler zum vierten Mal dabei ist, realisiert immer wieder das
gleiche Projekt und stellt an wechselnden Orten einen Caravan auf. Manch
alte Standorte des Caravans sind heute nicht mehr zugänglich oder existieren
nicht mehr. Für den Wagen ergibt sich so jedes Mal ein neuer Kontext. Man
kann an der Entwicklung der Standorte sehr gut die Stadtentwicklung von
Münster nachzeichnen.
Ein anderer Künstler, Bruce Nauman, wollte sein Projekt schon 1977
realisieren und erst jetzt, 30 Jahre später, ist es ihm gelungen. Wie unser
Kurator Kasper König treffen formulierte, sind die
„Skulptur Projekte“ eben
nicht nur Kunst im öffentlichen Raum, sondern eine besondere Art
Langzeitstudie.
Corinna Sörensen,
Jahrgang 1982, studiert Kommunikations-wissenschaft im Bachelor-Studiengang.
Während
ihrer Ausbildung zur Reiseverkehrskaufrau bei der Damp Touristik GmbH war
sie zeitweise in der Pressearbeit der Unternehmenskommunikation der Damp
Holding AG (Unternehmensgruppe Damp) beschäftigt. Außerdem hat sie vor ihrem
Studium ein halbjähriges Praktikum in der sh nachrichtenagentur*, der
Presseabteilung und Nachrichtenagentur der Tourismus Agentur
Schleswig-Holstein absolviert. Vor der Ausstellung hat Corinna Sörensen sich
nur im Kunst-Leistungskurs der Oberstufe mit Kunst beschäftigt. Selten aber
hat sie sich speziellen Kunstprojekten gewidmet oder sich mit Ihnen
auseinandergesetzt. Die Ausstellung hat sie allerdings dazu bewogen, Kunst
kritischer zu hinterfragen und sie nicht nur mit „schön“ oder „nicht schön“
abzutun. |
„Diffuse Einträge" von Tue
Grennfort: Kunst gegen Schweinezucht und Umweltverschmutzung
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